Projekt_Liberta Mišan

Beachfront

(der kroatische Ausdruck „Prvi red do mora“ ist ein Verkaufs-Slogan im Immobilienbereich, der das exklusive Privileg einer Immobilie in der ersten Reihe an der Strandpromenade beschreibt)

Während des Krieges in Kroatien und Bosnien und Herzegowina wurde Istrien im Zeitraum von 1990 bis 1997 zur vorübergehenden Heimat von mehr als 20.000 Flüchtlingen und Vertriebenen aus den Gebiet mit kriegerischen Handlungen (die genauen Zahlen sind unbekannt. In einigen Dokumenten ist von bis zu 50.000 zu Rede). Die Flüchtlinge wurden in touristischen Resorts, Camps und Hotels an der istrischen Küste untergebracht. Architektur und Räume, die als Orte für einen vorübergehenden Aufenthalts, für Entspannung und Genuss gedacht waren, wurden für viele Jahre zum Heim ganzer Familien (manchmal hatten vier Familien in einem Hotelzimmer gelebt).

Als Kind erinnere ich mich an Bungalows am Strand beim Campingplatz von Peroj, wo Gärten gepflegt, zusätzliche Räume gebaut und Holz für den kommenden Winter gesammelt wurden. Nur Details zeigten, dass diese TouristInnen nicht nur für eine Woche hier waren, und alle sprachen meine Sprache.

Im Jahr 2016 konstatierte der Führer der herrschenden politischen Partei in Istrien, dass Istrien nicht für den Empfang von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten geeignet sei. „Es gibt nicht genug Infrastruktur“, sagte er. Touristische Resorts, die in den Jahren nach dem Zerfalls Jugoslawiens privatisiert wurden, nahmen wieder ihre ursprünglichen Zweck an und die materiellen Spuren des permanenten Lebens von jenen, die dort gelebt hatten, wurden beseitigt. Istrien ist wieder ein touristisches Zentrum, eines der bekanntesten Urlaubsziele in Europa, ein wahrer Vertreter von Freizeit, Sicherheit und Gastfreundschaft.

Meine Forschung versucht, visuelle Materialien und persönliche Zeugnisse der Koexistenz in dieser Zeit der 1990er Jahre zu sammeln. Ich wundere  mich, was aus dem Einfühlungsvermögen und der Hilfsbereitschaft in dieser damaligen Zeit der Angst passiert ist. Ich interessiere mich für die subtile Umwandlung von verschiedenen Räumen durch ihre Zwecke.