Gegen eine Festung Europa
In den vergangenen Jahren haben wir eine systematische Verschlechterung jener ursprünglichen Werte erlebt, auf welchen die Idee eines freien, egalitären und demokratischen Europas basieren.
Es gibt eine unerwartete Renaissance von nationalistischen Bewegungen, Bilder kultureller Feindseligkeiten und eine Wiederauferstehung negativer Stereotype. Wir haben mit Schrecken beobachtet, wie sich rechtsextremes Gedankengut ausgebreitet hat, und dass eine schlechte Behandlung von Asylsuchenden normal geworden ist.
Wir erleben konstant den Missbrauch der Flüchtlingssituation für die öffentliche Erzeugung einer Angst, die uns erklärt, dass die ‚Gefahr‘ und aktuelle Probleme durch jene aus dem Ausland verursacht werden, die so anders seien und auch einen anderen Glauben haben. Aber all diese Entwicklungen zeigen, dass wir uns derzeit in einer „Krise“ befinden hinsichtlich einer europäischen Identität.
Die Idee der Europäischen Union baut auch auf einem friedensgestaltenden Vorhaben auf, das seine Lehren aus den verheerenden Auswirkungen der Jahrhunderte alten national argumentierten blutigen Feindschaften in Europa ziehen wollte. Die Abschaffung rassistischer Ideologien und undemokratischer Machtverhältnisse wurde in vielen Bereichen zumindest für die BürgerInnen der wachsenden Europäischen Union umgesetzt.
Im Schengen-Raum waren die nationalen Grenzen für die Menschen, die sie passierten, für wenige Jahre fast unmerklich. Das wiedererwachte Denken in engen nationalistischen Grenzen und die Wiederherstellung realer Grenzzäune und Kontrollen in diesem Bereich ist ein düsteres Symptom für einen Rückfall in die dunklen Zeiten der Vergangenheit der europäischen Geschichte mit fragmentierten und konkurrierenden Identitäten.
Gegen eurozentrische „Kulturkreis“-Theorien
In den letzten Jahren sind Hunderttausende von Menschen aus verschiedenen verständlichen Gründen nach Europa gekommen, um Krieg, Unterdrückung, Verfolgung und Elend zu entkommen. Viele von ihnen verbinden “Europa” mit Bildern von Freiheit, Demokratie, Bildung und sozialer Sicherheit. Sie waren bereit, Grenzen zu überschreiten, um eine bessere und rettende Zukunft für sich und ihre Kinder zu schaffen.
Diese exkludierende eurozentrische Perspektive von „Kulturkreisen“ konstruiert aus den Neuankommenden in Europa ein vereinfachtes Bild der „Anderen“. Alte Nord-Süd-Konflikte und religiös-kulturelle „orientalische“ Stereotype schwächen demokratische und menschenrechtliche Standards, auf die man zum anderen in Europa immer wieder pocht.
Nachdenken über unsere eigene dunkle Geschichte und unsere Traumata
Es gab in den letzten Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten kein Europa, das frei war von zerstörerischen und kriegerischen Konflikten oder großen Fluchtbewegungen. Wir glauben daher, dass auch „wir“ uns, hier in Europa, unserer Vergangenheit und unterdrückten Traumata stellen müssen, um daraus zu lernen. Nur diejenigen, die sich selbst besser kennen, können jenen, die als die „Anderen“ wahrgenommenen werden, offener begegnen. Das Wissen und Verständnis über die eigenen Traumata wollen wir einsetzen für eine bessere gemeinsame Zukunft.
Statt uns daher wie viele andere auf die Neuankömmlinge als Untersuchungsobjekte zu konzentrieren, thematisiert unser Projekt belastete historische Ereignisse und Orte in der Geschichte der letzten Jahrhunderte Zentral- und Südosteuropas. Diese vergangenen Zeiten waren voller Kriege, die von Religion, Ideologien und Nationalismen motiviert waren. Sie haben zu Zerstörung, Flucht und großen gesellschaftlichen Veränderungen geführt
Es ist Zeit, selbstreflexiv über die „europäische“ Identität nachzudenken und das Verständnis für die Vielfalt in Europa zu erhöhen. Wie können wir uns vorstellen, in einer gemeinsamen Zukunft friedlich in Toleranz und Vielfalt zusammen zu leben? Wie können wir “Integration“ in einem größeren europäischen Kontext verstehen?
Für eine offene europäische Identität
Die Konfrontation mit Traumata ist unserm Verständnis nach ein Weg der Heilung und eine Umwandlung der Vergangenheit um gemeinsam eine bessere, integrative und einladendere Atmosphäre für alle zu schaffen.
Wir, als KünstlerInnen und sozial engagierte BürgerInnen, innerhalb und außerhalb der Europäischen Union, sehen es als wichtig an, gegen rechtsextremes Denken zu wirken und gegen die Krise der globalen humanen Werte in einer Zeit nationalistische Fieberträume anzukämpfen.
Die letzten Jahre zeigten ein verstärktes Engagement für die Zivilgesellschaft (einschließlich vieler engagierter KünstlerInnen), die sich mit der Verteidigung der europäischen Werte auf der Grundlage von Offenheit, Respekt und Akzeptanz beschäftigen. Mit unserem Projekt wollen wir diese Initiativen durch die Förderung des internationalen Austauschs und der interdisziplinären Arbeit fortsetzen.