Graz-Round-Table

1. Termin | 4. Juli 2017 in Graz

Das erste Treffen fand in einem kleineren Kreis mit acht Personen unterschiedlicher künstlerischer, politischer und sozialer Herkunft und akademischer Profession statt. Dieser Kick-off-Workshop diente auch dazu, sich kennen zu lernen, um verschiedene Diskussionskulturen auszuprobieren und eine gemeinsame Struktur für die folgenden Treffen zu erarbeiten.

Joachim Hainzl gab einen Input zu einem Thema, das seiner Ansicht nach eine wichtige Grundlage für Diskussionen innerhalb der Gruppe sei. Er konzentrierte sich auf die aktuellen Diskurse um die so genannten „Kulturkreise“ und analysierte die Zunahme politischer und medialer Diskussionen über Diversität und einer Überbetonung der geographischen Herkunft und/oder Religion.

Einige der Hauptfragen waren: Wie werden „Kulturkreise“ definiert? Kennzeichnen sie ein bestimmtes geographisches Gebiet? Können sich „Kulturkreise“ überschneiden?

Die folgende Diskussion drehte sich um verschiedene Ideen über die aktuelle soziale und politische Situation in Österreich, West- und Südosteuropa. Der Schwerpunkt lag auf Möglichkeiten und Strategien, um die Umstände und Vorteile einer „Zusammengehörigkeit“ zu verstehen, und wie sich ein solche von geographisch-deterministischen und nationalistischen Diskursen unterscheiden könne.

Der Round-Table wird im Herbst 2017 mit ähnlichen Themenstellungen weitergeführt, mit dem Ziel, verschiedene Ideen durch die aktive Nutzung von Kunst, sozialem Engagement und Aktivismus zu übersetzen.

Fotos: Maryam Mohammadi

2. Termin | 19. Oktober 2017 in Graz

Daniela Grabovac ist seit sehr vielen Jahren in der Antidiskriminierungsarbeit tätig und leitet seit Beginn an die Antidiskriminierungsstelle Steiermark. In ihrem Vortrag anlässlich der Einführung des Verhüllungsverbotes in Österreich referierte sie zur Frage, inwieweit die Spruchpraxis der Höchstgerichte und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in den letzten Jahren durch geänderte „Wertvorstellungen“ bzw. Ängste in der Bevölkerung beeinflusst wurde. Ihr für einige von uns doch überraschende Fazit: es sind in den letzten Jahren Erkenntnisse getroffen worden, welche sie nicht erwartet hätte, etwa zum Thema der Burka oder zum Thema eines möglichen Kopftuchverbots am Arbeitsplatz. Es können nun Betriebe religiöse Symbole verbieten. Am Beispiel des steirischen BFI konnte man jedoch sehen, zu welchen Folgen das auch führen kann. Was das Burkaverbot betrifft, so gibt es in ganz Frankreich nur geschätzte 2000 Burka-Trägerinnen. In der Begründung des Verbotes geht es, im Gegensatz zur Begründung des Verhüllungsverbotes in Österreich (und einer damit verbunden Strafpraxis gegen all möglichen Personen), aber nicht um den Aspekt der öffentlichen, sondern vielmehr um den „integrativen“ Aspekt des Zusammenlebens, das dadurch nicht möglich sei, weil man die Mimik und Gestik der Person mit der man spricht nicht erkennen könne. Eine gewisse Veränderung in der Bewertung von Sachthemen bzw. im Wertekanon kann daher auch auf der Ebene der Rechtsprechung dargestellt werden. Es steigt der gesellschaftliche Assimilierungsdruck, vor allem auf MigrantInnen und dieser Diskurs hat sich politisch weit in die Mitte verlagert. Dennoch möchte sie diese Entscheidungen des EGMR nicht in Frage zu stellen, da das in der Vergangenheit eine Taktik rechter PolitikerInnen waren, die eine Rechtsprechung, die nicht in ihrem Sinne war, nicht akzeptieren wollten. Die Frage ist nun, was sind unsere Werte? Dem Islam wird diese Berechtigung abgesprochen während der junge US-„Kulturimport“ Halloween sehr wohl zum heimisch akzeptierten kulturellen Brauchtum wird. Für Daniela Grabovac ist es wichtig, dass es eine sachliche Diskussion braucht und ihrer Meinung nach sollten die Menschenrechte unseren Wertekanon bilden. In der anschließenden Diskussion ging es u eigene Erfahrungen und in der Abschlussrunde um die Frage, welche Auswirkungen die Politik der neuen Bundesregierung auf die Menschenrechtssituation in Österreich haben könnte.

3. Termin | 21. Dezember 2017 in Graz

Zu Beginn der Veranstaltung analysierten Joachim Hainzl und Naya Castillo-Rutz das Projekt „Inverting Battlefields – for a boderless future“ hinsichtlich der Fragestellung, inwiefern gerade heute interdisziplinäre Kunstprojekte, die sich auch mit künstlerischen Arbeiten im öffentlichen Raum präsentieren, einen Beitrag zur politischen Bildung darstellen, da damit auch Diskussionen und Reflexionen bei einem Personenkreis ausgelöst werden, welche sich ansonsten nicht mit gesellschaftspolitischen Themen wie Migration und Flucht und gesellschaftliche Vielfalt beschäftigen. Sie nahmen Bezug auf ein Projekt im kroatischen Lipa, wo die Künstlerin Nika Rukavina die Bruchstelle einer Außenmauer einer Ruine eines 1944 von Nazis abgebrannten Hauses mit Goldfolie verkleidete, um damit auf nie vergessene Traumata und Wunden der Geschichte zu verweisen und wie dieses Projekt auch von der Dorfbevölkerung wohlwollend angenommen wurde. Als Gegenbeispiel diente ein Kunstprojekt eines bildenden Künstlers auf dem Hauptplatz einer Stadt der Oststeiermark an, das mit den Worten „Islam tötet“ versehen wurde und daraufhin rasch aus dem Stadtbild entfernt wurde. In ihrem Vortrag strich Lidija Krienzer-Radojecvić die Bedeutung der Kulturalisierung von gesellschaftlichen Konflikten hervor. Das meint, dass etwa soziale oder ökonomische Konflikte dadurch verschleiert würden, indem man sie zu kulturellen Konflikten uminterpretiere und ein „Othering“ betreibe. Durch eine abstammungsdefinierte Herkunftskultur gäbe es aber keine gesellschaftlichen Veränderungsmöglichkeiten (da niemand aus seiner Haut heraus könne) und zum anderen würden Fragen von Verteilungsgerechtigkeit oder negativen Folgen eines neoliberalen Wirtschaftssystems nicht mehr kritisch hinterfragt. Die darauf folgende Diskussion zeigte auf, wie wir alle bereits ebenfalls in diesen Denkfiguren und bewegen, indem – wie Krienzer-Radojecvić ausführte – auch emanzipatorische Bewegungen in den 1990er Jahren sich auf das kulturelle Kapital stützten, wie eben Diskurse um Multi-Kulti oder Begriffe wie „Kinder mit Migrationshintergrund“ belegen. Im zweiten Input zählte Evelyn Schalk auf, was an den beiden ersten Tagen der neuen ÖVP/FP-Regierung diskursiv und personell alles eingebracht wurde. Kritisiert wurden dabei Personalentscheidungen, wie die Besetzung der Funktion eines Pressemitarbeiters mit dem Chefredakteur von unzensuriert.at oder die Besetzung der Funktion der Dritten Nationalratspräsidentin. Diskutiert wurden daraufhin befürchtete mögliche Auswirkungen auf gesellschaftskritische Projekte und Institutionen sowie Auswirkungen auf die Freiheit der Kunst.